Lebensmittelallergien! Wer ist wirklich betroffen? Oder anders herum gefragt: Ist es zurzeit modern, auf irgendein Lebensmittel allergisch zu reagieren?
Immer mehr Menschen verzichten auf bestimmte Lebensmittel, weil sie diese angeblich nicht vertragen. Fructose, Gluten, Histamin, Laktose oder Sorbit – all diese Stoffe haben uns doch früher auch nichts anhaben können. Ist es jetzt einfach „schick“ und man will dazugehören, zu denen, die auf irgendetwas allergisch reagieren? Oder nehmen die Unverträglichkeiten auf bestimmte Stoffe tatsächlich zu?
Fakt ist: Man sieht in so gut wie jedem Lebensmittelregal die sogenannten „frei von Produkte“. Und das Marktforschungsinstitut targedet! hat dazu herausgefunden: Rund 32 % der Deutschen behaupten, an Lebensmittelunverträglichkeiten oder –allergien zu leiden. 81 % verzichten deshalb und aus Geschmacksgründen freiwillig auf gewisse Lebensmittel.
Dr. Margit Worm, Professorin an der Klinik für Dermatologie und Allergologie an der Berliner Charite gab dazu in einem Interview an: Unverträglichkeiten entwickeln sich gerade zu einem regelrechten Trend. Aus Studien ist bekannt, dass eine Nahrungsmittelunverträglichkeit circa fünf- bis zehnmal häufiger vermutet wird, als sie tatsächlich nachgewiesen werden kann.
Außer Frage steht, dass „echte Allergien“ gefährlich sein können
Nüsse, Äpfel, Meeresfrüchte oder Sellerie können bei Erwachsenen gesundheitliche Probleme auslösen. „Es sind die häufigsten Allergien gegen Lebensmittel„, sagt Dr. Margit Worm.
Die Folgen reichen von Hautjucken und Schwellungen bis hin zu Magen-Darm-Problemen. „Bei schweren Verläufen können es auch Luftnot und Kreislaufreaktionen sein„, ergänzt die Professorin. Die schwerwiegendste Folge ist ein anaphylaktischer Schock – eine Extremreaktion auf ein Allergen – der tödlich enden kann.
Nur wenige Menschen sind wirklich betroffen
Statistisch gesehen treffen solche Allergien allerdings nur zwei bis drei Prozent der Erwachsenen. Damit sind die Beschwerden deutlich seltener als zum Beispiel Heuschnupfen mit rund 16 Prozent. Bei Kindern liegt die Quote der Nahrungsmittelallergien mit fünf bis sechs Prozent etwas höher. Allerdings gingen zum Beispiel Milcheiweißallergien bis zur Einschulung oft wieder weg, berichtet Dr. Worm und sie fügt an: Noch deutlich geringer sind die Werte bei einer Unverträglichkeit gegen Gluten, dem Klebeeiweiß in einigen Getreidesorten. Unter einer chronischen Erkrankung des Dünndarms (Zöliakie) litten in Deutschland 0,9 Prozent der Bevölkerung (Quelle u.a.).
Der Verband der auf Magen-Darm-Krankheiten spezialisierten Kinderärzte warnt sogar vor einem „Diäten-Hype“. Die Selbstdiagnose in Sachen ideale Ernährung hat Konjunktur. Viele Eltern attestieren ihren Kindern Nahrungsunverträglichkeiten – in bester Absicht. Doch das kann schlimme Folgen haben, meinen Fachärzte.
Einschneidende Ernährungsumstellungen – wie etwa eine glutenfreie Kost oder das Weglassen bestimmter Zuckerarten – ohne fundierte Diagnose durch einen Facharzt – könnten zu erheblichen Störungen bei Kindern führen. (Quelle u.a.)
Natürlich sind für Allergiker und Menschen mit Lebensmittelunverträglichkeiten, die im Handel angebotenen „frei von Produkte“ eine wirkliche Hilfe. Aber der Ernährungswissenschaftler und Buchautor Uwe Knop hat für Menschen, die einfach nur so diesem Trend folgen, einen wenig schmeichelhaften Namen: Ernährungshypochonder. Für ihn zählt dazu, wer ohne ärztliche Diagnose bestimmte Lebensmittel meidet. Und das scheinen nicht wenige zu sein, wie ein Blick auf die steigende Auswahl spezieller Produkte in den Supermärkten zeigt. Da wird dann mittlerweile auch die Versorgung bestimmter Haustiere mit einbezogen und eine ganze Reihe von Verbrauchern ist bereit, für diese Trendprodukte tief in die Tasche zu greifen.
Der Ernährungswissenschaftler vermutet eine Mischung aus Profilierung und Selbstdarstellung. Und damit eine ähnliche „Ich-Inszenierung“ wie sie Wissenschaftler bereits beim Veganer-Hype beobachteten: Verzicht und Abgrenzung, um interessant zu bleiben.
Was nicht von der Hand zu weisen ist
und welches Problem auch Uwe Knop in dem angesagten Lebensmittel-Verzicht – und dem Spott darüber – sieht: „Die echten Allergiker leiden darunter, dass viele ihr Problem nicht mehr ernst nehmen. Das ist wie eine Desensibilierung der Gesellschaft.“
Wovon weniger – das ist vielleicht gar nicht so entscheidend. Der Aufdruck „frei von“ scheint für Werbestrategen im Moment attraktiv zu sein. Auf Laktose-Intoleranz, unter der maximal ein Fünftel der Bevölkerung leidet, hat der Markt reagiert – mit Kokos-, Soja-, Reis-, Hafer-, Mandel- oder Hanfmilch. „Das sind Phänomene einer übersättigten Wohlstandsgesellschaft, die sich die Pathologisierung von Grundnahrungsmitteln wie Milch und Getreideprodukten leisten kann„, sagt Uwe Knop dazu. Für den Handel aber sei es ein gutes Geschäft. „Glutenfreie Nudeln kosten 1,55 Euro, normale Nudeln 49 Cent.“ (Quelle u.a.)
Wie reagiere ich richtig?
Die erste Wahl bei der Therapie einer Lebensmittelallergie liegt, nach eindeutiger Diagnose, in der Karenzkost. Das heißt im Vermeiden der Lebensmittel bzw. Inhaltsstoffe, die Probleme auslösen. Wichtig ist jedoch, nicht einfach ein Lebensmittel wegzulassen, sondern eine ausgewogene Ernährung – trotz Allergie – zu gewährleisten und weiterhin Spaß am Essen zu haben. Deshalb gilt, dass jede Karenzkost individuell gestaltet und durch eine allergologisch spezialisierte Ernährungsfachkraft begleitet werden sollte. Pauschaliert nach „verboten“ und „erlaubt“ zu leben, nutzt Betroffenen oft nur wenig.
Der Deutsche Allergie- und Asthmabund gibt zudem folgende Ratschläge:
- Einige Allergene in Lebensmitteln werden durch Verarbeitungsprozesse wie Erhitzen, Zerkleinern oder Säuern zerstört. Besonders bei Obst und einigen Gemüsesorten ist dies der Fall. Versuchen Sie als Apfel-Allergiker also lieber Apfelkuchen oder -kompott, als rohen Apfel.
- Nüsse, Sellerie, Erdnüsse und die meisten tierischen Auslöser für Allergien sind eher hitzestabil, so dass hier das komplette Meiden des Lebensmittels notwendig ist.
- Informieren Sie sich, wie der Allergieauslöser gekennzeichnet wird und worauf Sie in verarbeiteten Produkten oder bei loser Ware beim Bäcker, Metzger etc. achten müssen.
- Achten Sie trotz Allergie auf eine ausgewogene Ernährung. Nehmen Sie eine individuelle Ernährungsberatung in Anspruch. Die Kosten werden in der Regel von den gesetzlichen Krankenkassen bezuschusst.
- Führen Sie ein Ernährungs-Symptom Tagebuch, um Ihrem Auslöser auf die Spur zu kommen. In dieses Buch tragen Sie die verzehrten Lebensmittel, Umgebungsfaktoren, Medikamente und Beschwerden ein. Vordrucke erhalten Sie beim Deutschen Allergie- und Asthmabund e.V.
Der Deutsche Allergie- und Asthmabund vermittelt Betroffenen auch gerne kompetente Ansprechpartner vor Ort.
Meine Buchempfehlung: Praxisbuch Lebensmittelallergie Der sichere Weg zur richtigen Diagnose und optimalen Therapie bei Allergien und Unverträglichkeiten
Den drei Autorinnen Imke Reese, Christiane Schäfer und Anja Constien – alle Ernährungswissenschaftlerinnen – ist es aufgrund ihrer täglichen Beratungsarbeit gelungen, einen wertvollen und hilfreichen Ratgeber aus der Praxis heraus für Allergiker zu schreiben.
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Über Wirksam Heilen:
Der Verlag „Wirksam heilen“ ist ein Herzensprojekt das von Bärbel Puls im Jahr 2014 gegründet wurde. Aufgrund eigener, gesundheitlicher Probleme beschäftigte sich Frau Puls bereits sehr früh und sehr intensiv mit diversen Erkrankungen sowie wirksamen Naturheilverfahren. Im Jahr 2006 folgte die Gründung des Schüssler-Forums, das schnell eine wichtige Anlaufstelle für viele Menschen mit gesundheitlichen Problemen in Deutschland wurde. Im Jahr 2014 wurde dann „Wirksam Heilen“ ins Leben gerufen, ein umfassendes Compendium und digitales Nachschlagewerk zu einer Vielzahl von Erkrankungen und Gesundheitsproblemen sowie alternative und wirksame Behandlungsmethoden dazu.
Kontaktdaten:
BENE NATURA D.O.O.
Geschäftsführer Stefan Lackermeier
kontakt@wirksam-heilen.de
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Ausbildung Schüßler Salze
Christa meint
heißt also: wenn der Arzt nichts feststellt, sind meine Beschwerden Hypochondrie? Diese Diskussion hatte ich gerade heute morgen. Das wird sich erst ändern, wenn ich per Gedankenkraft mein Gegenüber spüren lassen kann was ich gerade fühle.
Ursula Brockmueller meint
Danke Bärbel Puls…Ernährungsberatung ist ein Hauptthema in unsere Praxis und wird grundsätzlich jedem neuen Patienten zuteil
Bärbel Puls meint
Hallo Christa,
ich glaube, davon steht nichts in meinem Beitrag. Ich weiß, dass es manchmal schwierig ist, an eine eindeutige Diagnose zu kommen. Wenn Ihr Arzt zu keinem für Sie zufrieden stellenden Ergebnis kommt, ist manchmal auch ein Arztwechsel nötig. Oft hilft ein ganzheitlich arbeitender Heilbehandler mit einer anderen Sicht auf die Dinge?
Herzlichst Bärbel
Bärbel Puls meint
Hallo Frau Brockmueller,
danke für Ihren Kommentar. Dieser Hinweis ist wichtig, denn Betroffene fühlen sich von ihrem Arzt oft nicht verstanden bzw. gut beraten. Ich empfehle sehr häufig den Wechsel zu einem Heilbehandler, der hier wirklich den ganzheitlichen Ansatz vor Augen hat und der das Gebäude Mensch von „Grund auf saniert“.
Herzlichst Bärbel Puls